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IMMANUEL KANT PREIS-REDE
von Anna Nguyen
Teil 2
In seinem kurzen Aufsatz fordert Kant jeden von uns auf, sich nicht der Vormundschaft anderer unterzuordnen, auch wenn es angenehm ist, sich zurücklehnen und die Verantwortung an eben diese Vormundschaft zu übertragen, die sich unter dem Deckmantel der Fürsorge kümmert; denn es ist bequemer, denken zu lassen, statt selbst zu denken. Institutionen, wie Staat oder Kirche, setzen auf diese Faulheit. Aber genau dort beginnt die Knechtschaft.
Wir sehen: Informationen kritisch zu überprüfen, sich nicht von Autoritäten abhängig zu machen, die Wahrheit zu suchen und… zu verteidigen! Das ist heute ebenso notwendig wie zu Kants Zeiten und erfordert gegenwärtig ebenso Mut. Vor allem, wenn es um vermeintlich absolute Wahrheiten geht, wie beispielsweise die Klimareligion, und wenn von „der Wissenschaft“ die Rede ist. Stichwort: „Follow the science“.
Ich zitiere weiter: „Dass der bei weitem größte Teil der Menschen den Schritt zur Mündigkeit, außer dem, dass er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben.“
Heute wird oftmals versucht, Meinungen vom gesellschaftlichen Diskurs auszuschließen – manchmal nur, weil sie von einer vermeintlich falschen Person vorgebracht werden. Stichworte dazu: Verfassungsschutz, „Delegitimierung des Staates“ und „Trusted Flagger“.
Dieses als Cancel Culture bekannte Phänomen steht im Widerspruch zu Kants Denken und der Aufklärung, ja sie will gewissermaßen die Aufklärung beenden. „Der öffentliche Gebrauch seiner Vernunft muss jederzeit frei sein, und der allein kann Aufklärung unter Menschen zustande bringen.“ Dies ist ein weiteres Zitat aus Kants Aufsatz „Was ist Aufklärung?“ und ein Plädoyer für die Meinungsfreiheit.
Kant selbst wurde gecancelt: Als die preußische Regierung eines von Kants Büchern zensierte, teilte er es in mehrere Abschnitte und veröffentlichte es Stück für Stück. Heute würde sich Kant ganz bestimmt gegen die Cancel Culture aussprechen und kreative Wege finden, diese zu umgehen.
Anstatt auf die Straße zu gehen, setzte sich Kant vom Schreibtisch aus für seine Ideale ein. Er war im Leben konform, im Denken aber rebellisch.
Es gilt, die Meinungsfreiheit im Geiste Kants gegen die Cancel Culture zu verteidigen. Denn im Nicht-Ausschließen unliebsamer Stimmen aus der Öffentlichkeit besteht eine zentrale Errungenschaft von Demokratie und Aufklärung.
Wir müssen selbst denken und entscheiden. Und dazu ist öffentliche Diskussionsfreiheit absolut notwendig. Der öffentliche Vernunftgebrauch ist überlebenswichtig für das Funktionieren einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Doch mittlerweile hat ein Großteil der Bevölkerung das Gefühl, seine Meinung nicht mehr frei äußern zu können aus Angst vor sozialer Ächtung und beruflichen Folgen.
Gerne weise ich auf meine Laudatio zur IMMANUEL KANT PREIS-Verleihung für Anna Nguyen hin: Der Schwöbel-Blog am Samstag, 02.11.2024 (Teil 1) und : Der Schwöbel-Blog am Samstag, 09.11.2024 (Teil 2). Ebenso auf Anna Nguyens Rede in Der Schwöbel-Blog am Samstag, 16.11.2024 (Teil 1).
Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 23.11.2024