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Alles klar! Foto: Hans-Peter Schwöbel
Der Hund, der lacht
Hans-Peter Schwöbel
Ein freundlicher und aufmerksamer Leser meines Der Schwöbel-Blog am Samstag vom 10.08.2024, Rainer Welzel, schickte mir zum Thema Ver-hören / Ver-lesen, Ver-tun, Ver-stehen eine kleine Geschichte, über seinen Vater als 4-Jährigem, die ihm seine Großmutter erzählte:
„Im Haus hing ein Gemälde vom Jesus in der Krippe mit Familie, Ochs und Esel. Und in der rechten unteren Ecke ein kleiner Hund mit offenbar lächelndem Gesichtsausdruck.
Zu der Zeit gab es einen Wurf junger Hunde auf dem Bauernhof, von denen mein Vater einen behalten durfte. Er bestand darauf, diesen Hund "Owie" zu nennen. Owie entwickelte sich zu einem stattlichen Rüden.
Später ging mein Vater in die Schule, hat lesen gelernt und wollte plötzlich seinen Hund umbenennen. Nach längeren Drängen meiner Großmutter verriet er ihr auch warum. Wie gesagt, er konnte inzwischen lesen und hatte erkannt, dass er einen Fehler gemacht hatte: Im Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht" heißt es in der letzten Strophe:
Stille Nacht, heilige Nacht!
Gottes Sohn, o wie lacht
Lieb aus deinem göttlichen Mund,
da uns schlägt die rettende Stund,
Christ, in deiner Geburt,
Christ, in deiner Geburt.
Und so wie auf dem Bild sollte auch sein Hund heißen!
Aber nun konnte er den Text ja mitlesen und nicht bloß mitsingen!“
Soweit Rainer Welzel. Das Thema ist köstlich und unerschöpflich. Dabei sind diese gut erkennbaren Missverständnisse nur das Spitzel des Eisberges – wenn Sie mir dieses Wortschnitzel erlauben. Unmengen von Missverständnissen finden jeden Tag statt, bleiben unbemerkt und wirken, und wirken...
Wahrscheinlich ist das Miss-Ver-Stehen die häufigste Variante des Ver-Stehens. Genau dies ist ein wichtiger Grund für die demokratische, rechtsstaatliche und wissenschaftliche Notwendigkeit und Legitimation von Meinungsfreit. Wir bedürfen ihrer auch, damit wir uns selbst und einander korrigieren können. Und wenn sich die Korrektur wiederum als Miss Verständnis erweist? Dann müssen wir dieses schöne Frollein wieder korrigieren. Und so weiter, und so fort.
An den Gender-Mächtlingen, Migrations-Leugnern, Wort-Wächtern und Klima-Ränkern stört mich nicht, dass sie anderer Meinung sind als ich, sondern, dass sie sich der Hinfälligkeit ihres eigenen Wahr-Nehmens und Ver-Stehens so wenig bewusst sind.
Der Schwöbel-Blog am Samstag, 17. August 2024