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Juwelen
Foto: Hans-Peter Schwöbel
Ich hörte sagen, Lesen verlängere das Leben. So ist es! Ich habe mich durch Ozeane und Gebirge von Romanen, Gedichten und wissenschaftlicher Literatur gelesen und dabei viele Schicksale, Erkenntnisse und Welten kennengelernt. Ich lebe in Menschen, Zeiten und Dingen, die ich ohne Lesen hätte entbehren müssen. "Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen." (Blaise Pascal). Jeden Tag mache ich Denk-, Erlebnis- und Weltreisen, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Wer ausdauernd und lustvoll lesen kann, oder gar selbst schreibt, wird sich nie langweilen.
Sternstunden
In diesem Sinne darf ich Sie auf ein wunderbares Buch hinweisen. Sternstunden. Große Texte der deutschen Sprache. Wer sich für Deutsche Sprache und Deutsche Geschichte interessiert, findet in diesem Buch einen schier unerschöpflichen Schatz an geistigem Leben. Die Herausgeber, Josef Kraus und Walter Krämer, spannen mit über 40 weiteren Autoren einen Himmel sprachlicher und historischer Galaxien auf. Der erste Beitrag ist dem Jahre 790 gewidmet, dem Wessobrunner Gebet. Mit dem Essay Glänzende Wörter schließt diese große Anthologie im Jahre 2020 ab.
Das Schöne an diesem Denk- und Wortgeschenk: man kann die gut 500 Seiten von vorne bis hinten und von hinten bis vorne durchlesen oder einfach darin stöbern. Und man kann das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Ein Buch für den Nachttisch, für den Schreibtisch und für die Bank am See, am Bach oder am Strom. Ein Buch für sich selbst und für Andere, denen man eine Freude machen will.
Die meisten Beiträge sind nicht länger als drei, vier Seiten. Man erlebt das Holistische an Denken, Sprache und Geschichte. Wer zum Beispiel den wunderbaren Essay Magie der Dinge über Der Nachsommer von Adalbert Stifter liest, hat natürlich nicht das ganze Buch gelesen, aber doch einen Blick aufs Ganze geworfen. Den ganzen Nachsommer, den ganzen Stifter und die ganze deutsche Kultur. Ich wusste nicht, wie nahe Stifter mir ist, wie nahe ich ihm bin. Wir sind deutsche Autoren der Klassik und der Moderne. Dasselbe gilt für viele andere der über einhundert Beiträge. Gemeinsam tragen wir die immerwährende Gegenwart. Den Holismus der ausgewählten Texte kann ich an Autoren eindrucksvoll erleben, die ich sehr gut kenne, zum Beispiel Ernst Jandl, Ernst Bloch und Carl Zuckmayer.
Mit Sternstunden können Sie sich selbst und Andere beschenken. Die unterhaltende und allgemeinbildende Wirkung dieses Buches kann man gar nicht hoch genug einschätzen.
Josef Kraus und Walter Krämer (Hg): Sternstunden. Große Texte der deutschen Sprache. 3. überarbeitete und erweiterte Neuauflage. IFB Verlag Deutsche Sprache GmbH. Paderborn 2023.
Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 06. Mai 2023