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Foto: Hans-Peter Schwöbel. Meine grüne Gartenhöhle. August 2021
Vierzig Zentimeter von Klima zu Klima
In einer Stadt liegen zwei Innenhöfe direkt nebeneinander. Sie sind von gleicher Größe und gleicher materieller und struktureller Beschaffenheit. Sie unterliegen der gleichen Sonneneinstrahlung usw. Einziger Unterschied: der eine Hof ist kahl, der andere ist stark begrünt. Er ist eine Art grüne Höhle. Beide Höfe trennt eine 40 cm breite Mauer.
Klimatisch liegen Welten zwischen ihnen. Der nackte Innenhof kann von den Bewohnern im Sommer allenfalls als Backofen genutzt werden, der begrünte als Sommerfrische. Auch bei Regen und im Winter reagieren die beiden Innenhöfe sehr unterschiedlich. In den Räumen hinter dem Grün, respektive der nackten Wand, bilden sich verschiedene Raumklimata mit unterschiedlichen Energiebedarfen etc. Wir können uns sicher leicht einigen, welcher der beiden Höfe der menschen- und klimafreundlichere ist.
Grüne Höhlen
Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer (Eugen Gomringer. Siehe auch Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 19. Juni 2021). Park, Wald, naturfreundliche Landwirtschaft, naturnaher Garten. Sie liegen nicht nur am Neckar, am Dnjepr, an der Loire, am Rio Camuy – sie liegen auch in der Welt und im Weltklima. Wer sein Haus, seinen Garten, sein Land, seine Heimat, seinen Urlaub menschen- und klimafreundlich gestaltet, stiftet Segen für die kleine und für die große Welt. Deshalb braucht es Menschen, die ihr Land, ihre Heimat lieben und gestalten. Am Rhein, an der Donau, am Nil, am Niger, am Jangtsekiang, am Mekong, am Amazonas, am Rio Grande, am Missouri, am Darling River, am Jordan...
Wörter und Denken
Auch komplexe Sachverhalte können in knappe Begriffe gefasst werden, um Diskussionen zu ermöglichen. Wir sollten uns jedoch der scheinbaren Einfachheit eines Wortapparates nicht ausliefern. Wir dürfen die Wörter nicht wörtlich nehmen. Vielmehr sollte uns bewusst bleiben, dass die damit gemeinte Realität komplex und dynamisch ist.
Begriffe wie „Klimawandel“ und „klimaneutral“ können zu eindimensionalem Denken verführen, suggerieren sie doch, wir könnten zu einem Klima zurückkehren, das sich nicht wandelt. Wir könnten auf dem Wege linearer Reduktion von Treibhausgasen ein authentisches? ursprüngliches? natürliches? vorindustrielles? postindustrielles? vernünftiges? 1,5 Grad plus? -Klimagleichgewicht erreichen. Wir schaffen das, indem wir „klimaneutral“ handeln...
Nichts von dem, was wir tun und unterlassen, ist klimaneutral. Vielmehr gehen von allem Wirkungen auf das Klima, das Wetter, die Klimata und die Wetter aus. Wie immer diese 2050 aussehen werden, sie werden nicht denen von 1870 entsprechen. Und: Was immer wir auch unternehmen „gegen den Klimawandel“ – wir müssen auch diese Maßnahmen sorgfältiger und rationaler Kosten-Nutzen-Analyse unterziehen. Das braucht Zeit und wachsende wissenschaftliche, politische, ökologische und wirtschaftliche Kompetenz. Lustvoll befeuerte Panik, populistisches Plätschern im Main-Stream und selbstgefällige Radikalisierung schaden nur. Sie verursachen falsche Entscheidungen und gewaltige Fehlinvestitionen. Und sie lassen sich leicht vor jeden Karren spannen. Quod erat demonstrandum.
Ein kühler Kopf ist der wichtigste Beitrag gegen Überhitzungen der verschiedensten Klimata.
Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 14. August 2021