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Wir sind die Reben
Foto: Hans-Peter Schwöbel
2011 am Forggensee
Können wir uns Ostern an einem 09. November, einem 24. Dezember oder 01. Januar vorstellen? Eher nicht. Die Idee der Auferstehung braucht den Frühling. Um den 21. März werden die Tage länger als die Nächte. An Ostern wölbt sich der Himmel tief und weit. Die Sonne lockt. Dies sind Tage, in denen man an Auferstehung glauben mag. Was heißt glauben – wir sehen, hören und erleben sie jetzt jeden Tag.
Sind wir nicht alle ein bisschen Pantheisten? Gott-in-Allem? Dies ist unsere Urerfahrung aus den frühen Tagen der Menschwerdung, als wir begannen, uns aus dem Reich der Tiere zu emanzipieren. Menschlich-magisches Selbst-Bewusstsein wächst. Flackernde Schatten und flüchtige Wesen (Phänomene) nehmen Gestalt an durch das Wort. Wir erschaffen unsere Welt, indem wir den Dingen Namen geben - erst tastend, allmählich gefestigter. Ungefähres wird prägnant, Flüchtiges fassbar und komplex kommunizierbar. Erfahrungen formen Erwartungen. Vorstellungen entwickeln sich, auch wenn die Dinge wo anders sind. Der Geist wird frei. Menschliche Phantasie wirkt schöpferisch und schafft Transzendenz.
Vielleicht sind Religionen nur verschiedene Übersetzungen von „Gott-In-Allem“?
Und die Wissenschaften? Und die Künste?
Frühling: Stunden, Tage und Wochen, in denen Farben von der Natur neu erfunden werden: Gelb, Blau, Rot, Weiß, Orange, Violett, Rosa, Schwarz, Grau, Grün und tausend Zwischentöne. Blüten, Schmetterlinge, Bienen und Vögel verleihen der Erde Flügel. Und uns; denn wir sind eingeladen, mitzufliegen durch die weite Schale des Alls.
Farben haben Seele. Und wir können sie hören. Nicht als Lärm und Getöse, sondern als je eigene Gestalt von Stille. Wer zu lauschen vermag mit den Augen, mit den Ohren, mit der Haut, kann das Läuten der Osterglöckchen hören, sehen und spüren. Und das Rauschen des Geistes, der Pfingsten ahnen lässt.
Frohe Ostern! Hans-Peter Schwöbel und Susanna Martinez
Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 03. April 2021