Der Schwöbel-BLOG am Samstag

„Wenn Sicherheiten fehlen, braucht es Gewissheiten...“

 

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Kürzlich las ich im MANNHEIMER MORGEN bemerkenswerte Zeilen. Die Redakteure Karsten Kammholz und Peter W. Ragge sprachen mit dem Mannheimer katholischen Stadtdekan Karl Jung und seinem evangelischen Amtskollegen Ralph Hartmann. Es ging um Weihnachten und Glauben und Leben in Zeiten der Corona-Pandemie. Hier ein kurzer Auszug aus dem ganzseitigen Gespräch.



„Frage: Besinnen sich in der Krise die Menschen wieder mehr auf ihren Glauben?

Karl Jung: Ich glaube schon, dass sich die Menschen mehr mit dem menschlichen Leben selbst auseinandersetzen. Da gibt es Anstoß für die Frage nach dem Glauben, um diesem Leben aus dem Glauben heraus einen weiteren Sinn zu geben. Im Sinne einer Großbewegung erlebe ich das nicht, aber es gibt ein verstärktes Nachfragen.

Ralph Hartmann: Ich glaube auch. Ich denke, wenn Sicherheiten fehlen – das erleben wir ja ganz extrem -, dann braucht es Gewissheiten. Da sind wir natürlich schon Ansprechpartner für Gewissheiten. Das hat dann sehr viel mit Glauben zu tun.“ (MM vom 28.11.2020)

Diese Sätze müssen Sie jetzt einfach mal aushalten.

Die zurückhaltende Antwort Karl Jungs scheint mir angemessen. Dagegen schüttelt es mich leicht, wenn jemand sich als Ansprechpartner für Gewissheiten versteht. Nicht dass mir diese Sicht fremd wäre: Ich bin in einem streng pietistischen Milieu aufgewachsen - einem Gehäuse voller Gewissheiten. Gerade dies macht mich hellhörig.

Begegnung mit Wissenschaft, Wissenstheorie und Aufklärung habe ich deshalb immer als Befreiung erlebt. Die europäische Aufklärung zeigt, dass „Glaubensgewissheiten“ nichts anderes sind als suggestive, oft auch manipulative Vorstellungen (Ideen). Bezogen auf Religion, aber auch auf weltliche Ideologien, lautet die wichtigste Einsicht der Aufklärung: Glauben heißt, sich etwas vorstellen. Das dürfen wir – solange wir die Gedanken nicht zu „Gewissheiten“ verklären. Gewissheiten stellen kein gefestigtes Wissen dar. Im Gegenteil: Es handelt sich um Überzeugungen, die gegen kritisches Wissen wappnen (sollen).

Vermeintliche Gewissheiten erzeugen Krisen im Christentum wie auch im Islam, wenn auch auf sehr gegensätzliche Weise. In vielen christlichen Kulturen verlassen Menschen ihre Kirchen in Scharen. Das hat viele Gründe. Der wichtigste scheint mir: Viele können mit den „Gewissheiten“ der Kirchen nichts mehr anfangen, weil sie diese als Projektionen erkennen.

Im Islam (in den Islamen...) werden von je her, aber ganz besonders in diesen Tagen „Gewissheiten“ durchgesetzt. Gute Menschen im Westen schweigen dazu oder sehen es mit Wohlgefallen. Sie nennen ihre Haltung „Toleranz“. Manche beneiden auch die Muslime um deren Gewissheiten und hätten gerne selbst wieder mehr davon.

Beharren auf „Gewissheiten“ schadet der Aufklärung, der Vernunft, der Freiheit, der Sicherheit und der Würde des Menschen.

Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 05. Dezember 2020

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