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„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen...“ Dieser Satz ist ein schönes Beispiel für meine These in Der Schwöbel-BLOG am Samstag vom 28. März 2020, nämlich, dass wir nur unvollständig wissen – immer.
In meiner Kindheit und Jugend wurde der Apfelbäumchen-Satz ohne Wenn und Aber als authentische Äußerung Luthers zitiert. Später las man zunehmend als Quelle: „...der Martin Luther zugeschriebene Satz...“ Inzwischen mehren sich Stimmen, die sagen, von Luther stamme diese Äußerung auf keinen Fall. Also, von „ganz sicher“ bis zu „ganz sicher nicht“ wandern unsere Gewissheiten im Ungewissen. Ich selbst könnte gut leben mit der Annahme, dass der Satz wahrscheinlich nicht von Martin Luther gesprochen wurde, aber von ihm geäußert worden sein könnte. Anders gesagt, der Satz passt zu unserer Vorstellung von Luther und ist vielleicht Kern dessen, was der große Soziologe Max Weber in die These von der „protestantischen Ethik“ zu fassen suchte.
Wie immer auch: Ein Satz, der keine sicher bekannten Eltern hat, hat es in die Weltliteratur geschafft. Der zwiefachen konjunktivischen (Un-)Gewissheit, „... Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge...“, setzt der zweite Teil des Satzes seine Hoffnung, seinen Widerstand gegen das scheinbar Unabänderliche entgegen: „...würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen...“. Vitales Hoffen trotzt der Macht scheinbarer Endgültigkeit. Wieder einmal: Das Gewisse mutiert ins Ungewisse und umgekehrt. Vielleicht entfaltet sich im Konjunktiv ein besonderer Realismus menschlichen Denkens, Erwartens und Vorhabens?
Die Hoffnung - qua Definition ein Kind der Ungewissheit - verwandelt das Absolute ins Noch-Nicht-Entschiedene. Das ist unsere Chance.
In diesem Sinne: Lasst uns Apfelbäumchen pflanzen!
Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 04. April 2020