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Ich gehöre zu jenen, die seit Jahrzehnten krisenhaften Klimawandel wahrnehmen und glauben, dass es gut erkennbare menschengemachte Beiträge zu diesem bedrohlichen Geschehen gibt. Schon in den siebziger Jahren habe ich in Lernfibeln, Zeitungen und Lehrerbegleitheften, die ich in Mogadischu für Alphabetisierungskampagnen in Somalia entwickelte, Lektionen untergebracht, die auf Gefahren von Überbevölkerung, großflächiger Überweidung und Übernutzung von Land-, Holz-, Wasserreserven und anderen Ressourcen hingewiesen und Struktur- und Verhaltensveränderungen vorgeschlagen haben. Bodenerosion und Bodenversiegelung gehören zu den Faktoren, die sich besonders negativ auf Wetterereignisse und aufs Klima auswirken.
Wenig später machte ich ähnliche Lektionen für Reis- und Erdnussbauern in Gambia. Die Übernutzung und klimawirksame Schädigung großer Landstriche in Afrika hatten auch damals schon mit Bevölkerungsexplosion und verantwortungslosem Umgang mit Böden, Wäldern, Feldern und Wasser vor Ort zu tun – keineswegs nur mit CO2-Emmissionen der Industrie- und Schwellenländer. Die entsprechenden Prozesse - Bevölkerungsexplosion und Übernutzung von Land (großflächige Bodenerosion) - haben sich in Afrika (auch in Teilen Asiens und Latein-Amerikas) inzwischen weiter verstärkt. In Deutschland versuchen populistische Koalitionen aus Politik, Medien, Kirchen und NGOs, diese Aspekte der Klimakrise nicht zur Sprache kommen zu lassen. Auch hier gilt: Die wirkungsvollsten Fake-News bestehen aus verschwiegenen Tatsachen.
Dass es inzwischen in etlichen Entwicklungs- und Schwellenländern sehr große Aufforstungsprojekte gibt, zeigt, dass man wenigstens dort beginnt zu verstehen, was zur Rehabilitation des Klimas nötig ist. Ein gutes Zeichen, das auch uns beflügeln sollte.
Schon Anfang der achtziger Jahre habe ich an meiner Hochschule in Mannheim Seminare angeboten und Vorlesungen gehalten zum Themenkomplex „Soziologie der ökologischen Krise“ mit den Schwerpunktregionen Deutschland, Europa und USA. Und ich habe eine Fülle von Diplom-Arbeiten zu diesen Themen vergeben und betreut. Es ging dabei immer um gesellschaftliche und politische Prozesse, aber auch um persönliche Einstellungen und Verhaltensmuster. Diese Angebote wurden von den Studenten und Studentinnen mit großem Interesse wahrgenommen. Fast alle Probleme und Stichworte, die heute die Debatte bestimmen, lagen schon damals auf dem Tisch – für alle, die es wissen wollten.
Gerade deshalb verwahre ich mich gegen schrille Tonlagen, Kommentare und Bewegungen, die latent oder manifest versuchen, Panik und Hysterie in die Klimadebatte zu tragen. Ein Beispiel dafür ist die Rede des „Sixteen-years-old-schoolgirls from Sweden“ in New York (September 2019), in der es von einer halb gespielten, halb erlittenen Wut ergriffen und dahin gerafft wurde. Bei Demonstrationen von „Fridays-for-Future“ und auf willfährigen Medien wiederholen sich diese Ausfälligkeiten in Wort, Lied (WDR: „...meine Oma ist ne alte Umweltsau...“) und Gebrüll, auf Schildern, Skulpturen und Klamotten. Die Aufführungen lassen die kundigen Hände an den Strippen dahinter und darüber gut erkennen.
Dabei wird über Bande gespielt. Von der Emotionalisierung des Themas Klima profitieren vor allem die Grünen. Auch die Windrad-Industrie nimmt den Panik-Schub gerne auf, um kritische Fragen im Hinblick auf diese Technologie einzuschüchtern und abzuweisen. Wenn Menschen (und wohl auch Tiere) unter Schall und Infraschall, die von den Windanlagen ausgehen, leiden, sind dies schwere ökologische Defizite dieser Technologie, ebenso wie die Vernichtung von Vögeln und Insekten und die ästhetische Zerstörung von Mitte und Horizont durch diese Industrie-Riesen. Die Verwandlung der letzten noch halbwegs naturnahen Landschaften in Industrieparks löst ökologische Probleme nicht, sondern schafft viele neue. Dem Klima schaden Windräder mehr als sie nutzen.
Je panischer die Medien-Hypes, je hysterischer die Kommunikation, um so leichter kann Vieles hinter dem Rücken der Menschen durchgesetzt werden. Die dreisten Manöver lassen sich viel erfolgreicher fahren, wenn Menschen, vor allem Kinder und junge Leute, in einer wohltemperierten Schnappatmung gehalten werden.
Genau deshalb ist die Markierung und Zurückweisung von Panik und Hysterie berechtigt und geboten.
Wer sich „Das Unwort des Jahres“ in den letzten Jahren anschaut, hätte für 2019 auf das Wort „Klimahysterie“ eine Wette abschließen können. Die Wortwächter in Darmstadt erweisen sich einmal mehr als Apologeten des Mainstreams - als führende Mitläufer, Gesinnungswächter und Influenzer - nicht Aufklärer. Mit Wissenschaft und demokratischem, emanzipatorischem Diskurs haben diese Jury und ihre Wort-Wahl nichts zu tun.
Der Schwöbel-BLOG am Samstag 18.01.2019