faschistoid - stalinoid
In der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus haben wir Deutsche in den letzten Jahrzehnten Achtenswertes geleistet. Abertausende Lehrer, Erwachsenenbildner, Künstler, Wissenschaftler, Journalisten, Unternehmer, Arbeiter, Angestellte und Beamte, Eltern und deren Kinder haben ihr Leben unter die Aufgabe gestellt: Erziehung, Wissenschaft, Kunst, Politik, Ökonomie und Alltagskultur nach Auschwitz. So auch meine Frau, Susanna Martinez, und ich.
Jeden Tag versuchten wir, unseren Schülern und Studenten zu helfen, zu demokratischen Persönlichkeiten mit aufrechtem Gang zu wachsen. Dieselben Ziele streben wir für uns selbst an und mit unseren Publikationen, Lesungen und Auftritten. Hier besteht nicht so viel Nachholbedarf, wenngleich Aufmerksamkeit und emanzipatorischer Mut auch in der Auseinandersetzung mit dem Nazismus aufrecht erhalten werden müssen.
Anders sieht es mit dem üblen Erbe des Leninismus-Stalinismus-Maoismus aus. Hier wurde mit der kritischen Aufarbeitung und breiten Diskussion noch gar nicht richtig begonnen. Während der Nationalsozialismus zu Recht als Zivilisationsbruch begriffen wird, registrieren gerade Linke die Ungeheuerlichkeiten des Kommunismus gerne unter „dumm gelaufen“. Wenn überhaupt. Die Werke Herta Müllers sind eher Rufe in der Wüste als Impuls für selbstkritische Analyse der Linken. Dem Leid, das Millionen von Menschen durch diese Varianten der Tyrannei erleiden mussten, begegnen viele Linke mit Schulterzucken.
Bezeichnend: Das Wort „faschistoid“ gibt es, um entsprechende Entwicklungen zu markieren und vor ihnen zu warnen. Das ebenso notwendige Warn-Wort „stalinoid“ gibt es in Deutschland bisher nicht. Wenn wir Beschreibung und Analyse dieses anderen Zivilisationsbruches mit gleichem Ernst und gleichem Mut betreiben, werden sich die Debatten in Deutschland, Europa und der Welt tiefgreifend verändern - mit emanzipatorischen Perspektiven für jeden Einzelnen und für die Demokratie.
Auf das Thema „links-rechts“ oder „rinks-lechts“ (Ernst Jandl) werde ich in meinem BLOG immer wieder eingehen.