Wirtschaftsflüchtlinge? Früher hätte man darunter Männer verstehen können, die vor ihren Frauen in Wirtschaften (Monnemarisch: Wärrtschafde) fliehen. Wer denkt da nicht an Väterchen Franz und sein garstig-schönes Lied „Deutscher Sonntag". Heute ist ‚Wirtschaftsflüchtling' ein hilfloser Versuch,
die Zahl der Einwanderer zu begrenzen. Uns dämmert: Die Migration könnte zu viel werden und auch die Probleme in den Herkunftsländern nicht mindern. Fluchtursachen soll-ten bekämpft werden, hört man jetzt. Dazu müssten wir diese Ursachen offen diskutieren.
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." (Art. 16a GG) Ginge es nur um sie, könnten wir das Versprechen, das die Kanzlerin, ohne uns zu fragen aber in un-serem Namen, gab, erfüllen: „Wir schaffen das!" Aber es geht um viel mehr. Menschen fliehen vor der Unbedingtheit des Koran und glauben doch an ihn als unbezweifelbares Wort Gottes. Islam implodiert (Navid Kermani) gewaltsam und breitet sich weltweit aus. Christen in Deutschland und Europa verlassen dagegen in Scharen ihre Kirchen: Kulturfluchten.
Die Persönlichkeit von Individuen und die Kulturen, in denen sie leben, durch-dringen einander. Das gilt auch, wenn sie ihre Kultur kritisch sehen. Menschen fliehen vor ihren Großfamilien und Clans – und bringen sie mit. Sie fliehen vor Gynophobie, Homophobie und Antisemitismus - und tragen diese Ängste in sich. Viele leiden unter Mangel an Rechtsstaat und Demokratie und schätzen diese dennoch gering. Menschen werden aus grauen Alltagen ins gleißende Licht Eu-ropas geschleust. Und sie werden von uns gelockt. Dazu entfalten wir eine starke Schwärmintelligenz – nicht zu verwechseln mit Schwarmintelligenz.
Menschen fliehen aus ihren Heimatländern, auf deren emanzipatorischen Wan-del es gerade ankäme. Wer soll dort arbeiten, während wir uns hier von ihnen bedienen lassen? Das Ungetane steht bergehoch im Süden. Wollen wir uns das Human-Potential ganzer Großregionen einverleiben und diese entvölkern? Um welchen Preis? Wer soll diese Länder reformieren, wenn keiner mehr da ist? Dankbar verweise ich auf das vorläufig gelungene Beispiel Tunesien, dessen Reformer zu Recht mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden.
Der Heidelberger Rechtsanwalt Memet Kilic, Vorsitzender des Bundeszuwande-rungs- und Integrationsrates, sagt: „Wer Islamisten nicht bekämpft, kann Pegida nicht bekämpfen. Die erste Aufgabe wurde sträflich vernachlässigt." Und der Psychologe Ahmad Mansour erklärt: „Wer Islamismus erst bekämpft, wenn er in Gewalt umschlägt, kommt zu spät." Über dies und mehr sollten wir reden, bevor wir Andersdenkenden einen Krankenschein ausstellen.
WOCHNBLATT Mannheim 29.10.2015