wonn Se än „Fehla“ sehe, gugge Se vielleischt genauer hie un saache: „Jetz will isch mol sehe, was des soi soll...“
Dabei wird uns bewusst, dass wir den Begriff Klima meist in der Einzahl verwenden, im Sinne des die ganze Erde und Jahrzehnte umspannenden Prozesses aus Hoch- und Tiefdruckgebieten, Temperaturen, Winden, Windstillen, Wolken, Wettern, Wetterwahrscheinlichkeiten, Sonneneinstrahlungen, Abstrahlungen, Jahreszeiten und Vielem mehr.
In der Mannheimer Innenstadt, saache ma mol in de Filsbach, liegen in Südlage zwei Balkone direkt nebeneinander. Alles an ihnen ist gleich, außer: der eine ist splitternackt, der andere tief durchgrünt mit einer Fülle von Pflanzen, auch an den Wänden und den Rändern. Der eine Balkon wirkt vom Fenster gegenüber wie eine kleine Wüste, der andere wie ein kleiner Wald. Bei den Temperaturen, wie wir sie seit Wochen haben, verursacht alleine der Blick auf den nackten Balkon Schweißausbrüche, und wir bedauern jeden einzelnen Back-Stein persönlich. Der Blick auf den gründurchfluteten Balkon hingegen schafft uns prickelndes Behagen. Und unser Auge trügt nicht; denn die Tageshöchsttemperatur auf dem grünen Balkon liegt um 10 Grad Celsius unter dem des nackten. Das heißt, auf der einen Seite kann man es gut aushalten (auch in den Zimmern hinterm Balkon). Auf der anderen herrscht quasi Ausgehverbot. Die Balkone trennt nur eine Mauer von einem halben Meter. Klimatisch aber liegen Welten dazwischen. Gleiche Erfahrungen kann jeder Radfahrer machen, der in diesen Tagen durch die Kurpfalz radelt. Wenn er in der glühenden Ebene nur durch ein kleines Wäldchen rollt, umfängt ihn ein wohliger Schauer, den keine Klimaanlage so wohltuend bieten könnte.
Wenn wir von Klima, Klimawandel und Klimakrise reden, sollten wir also bedenken, dass es nicht nur das eine große, alles umspannende Klima gibt, sondern Legionen regionaler und lokaler Klein- und Mikro-Klimata, die, wie nie zuvor in der Geschichte, von uns Menschen beeinflusst, ja gemacht werden. In den letzten hundert Jahren hat der Mensch die Erde stärker verändert als in hunderttausend Jahren zuvor. Von der „unberührten Natur“ bleiben uns nur Vorstellungen, wie die mal gewesen sein könnte. Das große Klima und die unendlich vielen kleinen Klimata wirken stetig aufeinander ein. Genauer: es sind nur verschiedene Beobachtungsebenen eines ganzheitlichen Geschehens. (Fortsetzung folgt)
WOCHENBLATT Mannheim
23. August 2018