Kunsthalle! Mannheim!

Whow! Diesmal ist es kein Sehnsuchts-Traum wie meine Hoffnungen auf Verfas-sungsfeiern am 23. Mai, die ich in meiner letzten Kolumne aufsteigen ließ wie Schmetterlinge. Oder doch?

Auch dies ein Traum, der aber schon in der Realität leuchtet: Am ersten Juniwochenende öffnete die neue Kunsthalle Mannheim ihre Lichtpforten. Selten erfüllen sich Erwartungen so eindrucksvoll und werden über-troffen. Die neue Kunsthalle ist ein Licht-Dom mit Kuben, in denen wunderbar kura-tierte Kunstwerke in vielfältige Dialoge treten mit dem Raum, dem Licht, miteinan-der und mit den erlebnis- und wahrnehmungshungrigen Betrachtern. Jeff Walls Fo-tografien!

Einzelne Säle sprechen (auch augenzwinkernd) mit den Nachbarräumen. So fin-den sich in einem Saal eine Fülle kleiner Skulpturen (Großsein durch Kleinsein...) in Nachbarschaft zu Anselm Kiefers Riesengemälden, die sich bei näherem Hinse-hen ebenfalls als Skulpturen offenbaren. Dieses neue Haus korrespondiert auf tief-gründige Weise mit dem alten. Die Kunsthalle und sämtliche Ausstellungen weisen eine hohe visuelle Musikalität der Stille auf. Schräg malt die Sonne Schattenskulp-turen an die Wände. Zauberhaft! Im Atrium gibt die kreiselnde Uhr mit ihrem Antipo-den und Partner, dem schwebenden Felsen, den Ton vor: stets auf der Stelle und stets unterwegs. Schwer und leicht. Stein und Zeit. Stein-Zeit? Zeit-Stein?

Nur Kuratoren mit feinen Sensoren für Rhythmen und Melodien können Ausstel-lungen so musikalisch gestalten. Für mich, der ich die Stille in all ihren Erschei-nungsformen liebe: pure Meditation. Kunst so zu arrangieren, ist selbst Kunst. Es ist zu wünschen, dass die Besucher diese besondere Dimension visueller Kunst ver-stehen und achten. Dazu muss man nicht in Ehrfurcht erstarren. Es genügt, Wahr-nehmung und Versenkung in die Kunstwerke nicht lauthals nieder zu quatschen. Und beim Betrachten der Bilder, Skulpturen und Szenen darauf zu achten, dass auch andere das Objekt genießen wollen, ohne laute Kommentare des Nachbarn im Ohr.

Besonders gelungen ist der Dialog der Kunsthalle mit ihrem Umfeld. Konnten wir Mannheimer und unsere Gäste jemals mit dem Wasserturm auf Augenhöhe liebäu-geln? Das Menschenähnliche dieses Turms tritt von den oberen Stockwerken der Kunsthalle aus so intensiv hervor, wie es bisher wohl nur Bewohner des Fried-richsplatzes erleben konnten. Man würde sich nicht wundern, wenn einen der Kerl einfach in den Arm nimmt. Auf der anderen Seite: Blicke tauschen mit der Heilig-Geist-Kirche. Mit der neuen Kunsthalle ist Mannheim ein starker Zuwachs an Urba-nität gelungen. Dank und Kompliment allen, die das geschaffen haben.

WOCHENBLATT Mannheim

14. Juni 2018

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