Dazu hat der promovierte Historiker und Germanist Carl-Jochen Müller in der ‚Kleinen Reihe des Stadtarchivs Mannheim’ ein informatives und gut geschriebenes Buch veröffentlicht mit einer Fülle von Bilddokumenten. Titel: „Der große Schrank von Mannheim. Aus der Chronik des Städtischen Leihamtes.“ Darin schreibt er: „Wer heutzutage das Mannheimer Leihamt betritt, auf den hat Hermes ein Auge, der Gott des Geldes und der Gaben, zuständig für allerhand Handel und Heimlichkeit, glückliche Fügung, Lug und Trug. Von kleinen und großen Summen, Befreiung aus Not und Bedrängnis, von Schnäppchen und Diskretion, auch von Diebstahl und Hehlerei wird im Folgenden immer wieder die Rede sein.“
Was macht das Leihamt? Es gibt Menschen, denen der Monat wieder mal zu lang geworden ist, Geld gegen Hinterlegung von Wertsachen, heutzutage meist Schmuck und andere eher kleinvolumige Gegenstände von stabilem Wert. Die Kostbarkeit kann vom Kunden wieder ausgelöst werden, wenn die Ebbe in seiner Kasse nachgelassen hat.
Die Regale des Leihamtes sind Schränke, in deren Tiefen sich Zustände und Dinge verbergen, die zur Alltags-Geschichte der Stadt gehören. Man könnte sagen: Öffne mir Deinen großen Schrank, oh Mannheim, und ich sage Dir, wer Du bist. Dass das Leihamt in D4 schräg gegenüber vom Rathaus wohnt, ist wohl Zufall. Aber, wie Manches im Gemeinwesen, ein symbolträchtiger Zufall.
Viele Mannheimer gehen sicher oft am Leihamt vorbei, ohne es auch nur wahrzunehmen. Was soll ich dort, wird mancher denken, ich will nichts beleihen und auch nichts ersteigern. Diese Sicht ändert sich, wenn man das Glück hat, sich im Leihamt umzusehen und informieren zu lassen. Ich hatte kürzlich das Vergnügen. Unter Leitung von Angelika Elsner unternahm die Volkshochschule Schwetzingen einen Besuch des Mannheimer Leihamtes, und ich durfte dabei sein. Höchst informativ und kurzweilig ließen uns die Herren Lapré, Brach und Kieck an ihrem enormen Fachwissen teilhaben. Wir erlebten das Haus als Schatzkiste Mannheimer Geschichte. Dabei erfuhren wir, dass das Leihamt gar kein Amt ist, sondern eine „Anstalt des öffentlichen Rechts“ und damit ein Unikum unter den deutschen Leihäusern. Herr Lapré stellte uns das Leihgeschäft als „zweitältestes Gewerbe der Welt“ vor. Die Rückfahrt nach Schwetzingen verbrachten wir tief versunken in die Frage, was wohl das älteste Gewerbe der Welt sein könnte. Mol ä Frooch: Wisse Sie’s?
WOCHENBLATT Mannheim
22. März 2018