Deshalb duftet uns Erde so gut. Deshalb lieben wir den Fluss als nimmermüden Begleiter. Deshalb erkennen wir in den Bäumen unsere Brüder. Deshalb macht uns frische Luft so glücklich. Deshalb kann uns der Sonne Aufgang über dem Odenwald und ihr Untergang über der Hardt berühren wie ein Blick ins Paradies. Und: die immergrünen Zweige von Tannen und Fichten verwandeln das schwache Licht der Wintersonne in dunkelgrüne Wohltat, die uns heilen kann von Niedergeschlagenheit und Angst.
Stille Nacht - Heilige Nacht. Die Sehnsucht nach Weihnachten ist viel älter als das Fest selbst. Unsere Geschwister, die Juden, feiern des Lichtfest Chanukka, und erinnern an die Weihung des Tempels in Jerusalem im Jahre 164 v. Chr. Aber selbst damals lebte die Sehnsucht nach Geborgenheit in dunkelwarmem Licht schon ewig in uns. Sie gehört zu den tiefen geistigen und körperlichen Grundbedürfnissen des Menschen, wie sie sich in der Evolution herausgebildet haben.
Weihnachten ist das Lichtfest der Christen. Es fühlt sich anders an als unsere anderen Feste. Bis es soweit ist, haben wir fast das ganze Jahr schon auf dem Buckel, das Grade und Krumme, das Schlimme und Schöne: Arbeit, Ärger, Glück, Freude, Verzweiflung und Hoffnung. Wir haben gefroren und geschwitzt, gezittert und getobt, geredet und geschwiegen, gelacht und geweint. In der Weihnacht können wir Unterschlupf suchen und uns vorstellen, nie mehr gefunden zu werden von Kampf und Enttäuschungen, von Erfolg und Misserfolg, von Klimawandel und Krieg, von Flucht und Invasion, von Krankheit und Tod.
Natürlich werden wir von all dem wiedergefunden – aber in der Weihnacht schützt uns ein warmer Ton, ein guter Duft und das Licht, das Stille Licht. Es vertreibt das dunkle Warme nicht, es verbündet sich mit ihm. Aber: solch Stille Nacht wird nur sein, wenn wir es wollen. Und das Christkind? Es ist wie wir: klein, schwach, verletzlich: Gott im Stroh ist nicht allmächtig. Er kann nicht uns, wir müssen ihn beschützen.
Mein Weihnachtswunsch: Verweigern wir uns dem Getöse, das zu Weihnachten anschwillt. Überwinden wir das Vorurteil, Kinder wollten am liebsten mit Tonnen von Plastik und Elektronik zugeschüttet werden, statt mit der Familie eine poetische, musikalische Weihnachtsfeier zu gestalten. Möge uns gelingen, das Stille Licht wieder zum Leuchten zu bringen.
WOCHENBLATT Mannheim
Weihnachten 2017