Kaum perlt der Neckar aus dem Schwenninger Moos, neckt er den Himmel und tut, als wolle er süd-ostwärts zur Donau. Rasch aber wendet er sich nach Norden, fließt dann Richtung Nord-Ost zwischen dem Ostufer des Schwarzwaldes und dem Westufer der Schwäbischen Alb. Kurz vor Stuttgart fällt ihm ein, wo er wirklich hinwill: nach Nord-Westen, in die sonnengesalbte Ebene am Rhein. Es fühlt sich an, als flösse er in den immerwährenden Süden. Durch Stuttgart muss er allerdings noch durch. Aber die Vorfreude auf sein Tal im Odenwald, auf Mosbach, Eberbach und Neckargemünd, auf Heidelberg, die Feine, auf Neckarhausen und Ladenburg, die Schmucken und schließlich Mannheim, „das, wie Goethe sagt, gleich und heiter gebaut ist“ (Goethe) lässt ihn diese Prüfung ertragen.
Vom Berg kriegt der Neckar Schub. Aus der Ebene lockt und zieht die Sehnsucht nach dem Vater Rhein. Im Neckartal schlängelt sich der Fluss durch grüne Hügel. Sie adeln ihn und er sie. Städte, Dörfer, Burgen, Wälder, Wiesen und Felder machen Selfies auf seinem funkelnden Antlitz. Keine Sekunde vergisst der Neckar, wen und was er unterwegs sieht. Am Unteren Neckar ahnen wir Bilder, die der Fluss auf seinem Weg aufgenommen hat. Wer im Schwarzwald, Kraichgau, Odenwald, wer in der Kurpfalz lebt, muss nicht tausende Kilometer fliegen, um fern der Heimat seine Großen Ferien abzuarbeiten wie eine Fron. Das Gute liegt so nah! Laaft, dibblt, rudert, schwimmt, fahrt mim Rad, legt un hockt Eisch hie: Erholung pur vor der Haustür.
Zum Schönsten am Unteren Neckar gehört die Neckarhäuser Fähre und ihre Umgebung. Wie ein Weberschiffchen gleitet die Fähre zwischen Neckarhausen und Ladenburg hin und her. Sie setzt Menschen, Fahrräder und Autos, Gespräche, Gedanken und Gefühle über und webt dabei die Zeit: Hie-un-her. Niwwa-un-riwwa. ‚Don't Pay the Ferryman...’ singt Chris de Burgh, „...bevor er Dich auf die andere Seite gebracht hat“. Nein, diese Vorsicht muss man an der Neckarhäuser Fähre nicht walten lassen. Freundliche Fährleute, wie die Annegret und die Martina, geleiten Dich sicher ans andere Ufer. Setz Dich auf der Fähre auf die lange Bank. Plaudere mit dem Ludwig, streichle den Romeo (oder umgekehrt) und genieße die Überfahrt. Schau auf den lachenden Fluss, betrachte das grüne Land. Hab keine Angst. Auch wenn beim Hin-und-Her die Tage kürzer werden und die Fähre Wasser, Land, Licht und Zeit verwebt. Dann: Setz Dich auf dem Neckarhäuser Damm oder an der Ladenburger Wiese ans Ufer des braven Wilden Kerls und schau dem sommerlichen Treiben auf dem Weberschiffchen zu. Lausche dem stillen Dialog zwischen Stockente und Graureiher. Meditation.
WOCHENBLATT Mannheim
10. August 2017