Kürzlich veranstaltete die muslimische Ahmadiyya Gemeinde zum sechsten Mal im Lutherhaus in Schwetzingen den „Tag der Religionsstifter“, diesmal zum Thema: Die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Mit dieser Begegnung sollen Vorurteile zwischen Religionen abgebaut werden.
Nach bewährtem Muster sprachen ein jüdischer Rabbiner, ein evangelischer Pfarrer und ein muslimischer Imam. Der Rabbi und der Pfarrer konnten in ihren Beiträgen nicht verbergen, dass sie Gläubige sind aber auch Kinder der Aufklärung, die wissen: 1. Religionen sind Erzählungen, Traditionen. 2. Glauben heißt, sich etwas vorstellen. 3. Gott ist Idee. 4. Wo wir über Gott reden, sprechen wir als Menschen, über den Menschen, zum Menschen. Bemerkenswert, dass dieser kantische Realismus die Glaubwürdigkeit der Gläubigen eher stärkt; denn auch Atheisten und Agnostiker können einräumen, dass es Tiefen menschlichen Suchens gibt, die mit nicht-religiösen Denk- und Sprechmustern nur schwer zu erreichen sind.
Bierernst dagegen der Vortrag des Imam. Er machte klar, dass der Islam die endgültige, universelle Religion ist. Toleranz gegenüber anderen Religionen findet nicht auf Augenhöhe statt, sondern ist der Friedfertigkeit der Ahmadiyya-Muslime zu danken, die irrenden Schafen Zeit lassen wollen, den rechten Weg zu finden. Christen, die das Gefühl haben, diese Vorstellung irgendwie zu kennen, erinnern sich richtig. Nur: es wird etwas nicht dadurch richtig, dass auch wir es falsch gemacht haben. Zumal bei fast acht Milliarden Menschen auf der Welt die Notausgänge verstopft sein werden, wenn die tausend Häuser des einzig wahren Glaubens in Flammen stehen.
Die Ausführungen des Imam gipfelten in dem Satz: „Der Koran ist perfekt!“ Diese Aussage ist aus erkenntnistheoretischen und logischen Gründen unzulässig; denn es handelt sich um eine subjektive (fehlbare!) Einschätzung - vielleicht auch nachgeplappert. Mit der pseudo-objektiven Form, „Der Koran ist perfekt!“ soll dieser gegen Fragen und Kritik gepanzert werden. Korrekt wäre die Aussage so: „Ich bin mit dem, was im Koran steht, vollkommen einverstanden!“ Dies würde Gegenpositionen zulassen, wie: „Mit dem, was im Koran steht (mit Manchem, Vielem, Allem), bin ich nicht einverstanden!“
Ohne diese erkenntnistheoretischen Minima ist humaner und rationaler Dialog nicht möglich. Wir Kurpfälzer sind weltberühmt (jedenfalls in der Kurpfalz) für unsere Weltoffenheit und Toleranz. Vielleicht gelingt uns der historische Kompromiss im interkulturellen Dialog. Mein Vorschlag: Wir lesen Koran und Bibel als vollkommene Beispiele menschlicher Unvollkommenheit.
WOCHENBLATT Mannheim
20. April 2017