Dabei ist Populismus auch Strategie klassischer Volksparteien und etablierter Massenmedien. Er vollzieht sich als Kumpanei zwischen Teilen der Macht-Eliten und Teilen des Volkes (lat. populus). Die (unausgesprochene) Losung lautet in beiden Richtungen: „Wir werden euch führen, wohin ihr uns wollt!“ Die scheinbar harmonischen Beziehungen sind geprägt von vorauseilendem Gehorsam und Angst vor bestimmten Realitäten. Dazu werden die Ellbogen ausgefahren, und die Teile definieren sich als das Ganze. Mein Kommentar: Demokratie als emanzipatorischer Prozess geht anders!
Ein anderes Beispiel für Herrschaft durch Macht über das Wort, ist der Begriff Flüchtlinge. Selbst Kritiker der dominierenden Politik halten sich an diese Sprachregelung. Wer die Bewegungen der letzten Jahre (schon weit vor 2015) anschaut, wird dagegen zur Überschrift Migration (Wanderung) kommen. Darunter finden wir dann Flüchtlinge, Einwanderer und Invasoren. Vernünftige, humane Flüchtlingspolitik kann gelingen, wenn wir die wirklichen Flüchtlinge erkennen und ihnen Schutz und Beistand bieten, bis sie in ihre Heimat zurückkehren können. Auch dort sollten sie mit unserer Hilfe rechnen dürfen. Dass wir nach wie vor Einwanderung unter falschen Voraussetzungen zulassen und anregen, schadet allen: den Herkunftsländern, den Flüchtlingen, den Ankunftsländern.
Zum Thema Invasoren: Empörend an den Neujahrskrawallen 2015/2016 in Köln und anderen Städten sind nicht nur die erbärmlichen sexuellen Übergriffe. Abstoßend ist auch, dass die Täter sich als Invasoren aufgeführt haben. Der populistische Lärm, der danach in vielen Medien gegen den Vorwurf (den niemand erhoben hatte) tobte, alle Flüchtlinge seien Vergewaltiger, dient dazu, vom invasorischen Charakter dieser Gewalt abzulenken. Beschämend.
Nun das Trugwort ‚Wahlkampf’. Auch in Mannheim. Demokraten verstehen unter Wahlkampf einen Wettbewerb um die Gunst von Wählern, in dem sich mindestens zwei Alternativen darstellen können. Wo nur eine Seite (drohend und verleumdend) zu Wort kommt, geht es nicht um eine Wahl, sondern um Staatspropaganda. Von Türken hierzulande sollten wir erwarten, dass sie Mannheim und Deutschland, wo sie ein gutes Leben führen können, gegen die Übergriffe aus Ankara verteidigen. Und wir Deutsche sollten den Aufrechten Gang üben.
WOCHENBLATT Mannheim
23. März 2017