Aller Seelen Blues

Auf dem Mannheimer Hauptfriedhof beim großen Feld mit Soldatengräbern steht ein gewaltiges Monument. Auf wuchtigem Stein dröhnt: Der Tod versöhnt. Kann man dies lesen, ohne zu fragen: Wen versöhnt der Tod mit wem? Das Opfer mit seinem Mörder? Geschundene mit ihren Schindern? Missbrauchte ‚Kleine Leute’ eines Volkes mit den Missbrauchten anderer Völker? Die man zwang und verführte, einander zu töten? Ver-söhnt der Tod die, die sich im Leben hassten? Dann nichts wie los: hasst, mordet, miss-braucht – denn der Tod versöhnt...

Mir klingt’s wie: Der Tod verhöhnt. Ich bin kein Bilderstürmer. Wir müssen auch mit den Malen unserer Verdrängungen durch die Zeiten ziehen. Aber dies gedankenlose Ge-denken macht mich krank – kränkt mich. Vielleicht kann man aber auch dieses Nicht-Denk-Mal ertragen, indem man darin unsere Hilflosigkeit vor dem Tod sieht, wie man sie in Sprüchen und Zeichen auf manchen Gräbern findet.

Ende und Anfang sind Illusion. Der Mensch beginnt nicht mit seiner Geburt und endet nicht mit seinem Tod. Vor seiner Geburt durchzieht er Zeit und Raum als biologische und geistige Chance des Lebens. Seine Zellen und Gene reichen Milliarden Jahre zu-rück. Selbst davor gab es ihn als anorganischen Stoff. Mit seinem Tod verschwindet er nicht. Er verwandelt sich. Wieder einmal. Sein Leib kehrt heim zu dem Ort, den er nie verlassen hat: zur Erde. Und damit zum Himmel. Wo kreist Mutter Erde? Eben! Vom Mond aus gesehen ist alles klar: Wir müssen nicht erst in den Himmel kommen – wir sind längst da...

In uns Heutigen leben Gene von Tieren, Pflanzen, Menschen, die seit Jahrmillionen die Erde bevölkern. Aber nicht nur Gene wandern durch die Zeiten, sondern auch Meme: Das Mem (Plural: Meme) bezeichnet einen Bewusstseinsinhalt (z. B. einen Gedanken), der durch Kommunikation weitergegeben und so vervielfältigt werden kann. Dies ist Teil der kulturellen Evolution. In unserem Bewusstsein und Unterbewusstsein wohnen Geist und Gefühle von Menschen (und Tieren), die vor uns gelebt haben und mit uns leben. Und wir leben weiter in jenen, die uns direkt oder mittelbar begegnen. Weder Fleisch noch Geist verschwinden – sie verwandeln sich nur. Diese Zusammenhänge sind so gut belegt, dass Atheisten, Agnostiker und Gläubige sich darauf einigen können sollten.

Und darüber hinaus? Gibt es nicht doch mehr, als uns Kosmologie und Evolutionstheo-rie erschließen können? Hier könnten wir uns auf ein „Vielleicht“ verständigen. Wir dür-fen glauben. Aber niemand darf mit seinem Glauben andere bedrängen. Die Wahrheit werden wir hernach erfahren – oder auch nicht. Für beide Fälle müssen wir uns keine Sorgen machen.

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