Sein Name: Clay. Cassius Clay. Aber einen Sklavennamen wollte er nicht. Diese Schmach musste er abschütteln wie einen lästigen Feind. Nannte sich Muhammad Ali. Selbstbestimmt.
Geboren wurde er im Namen eines Anderen (17. Januar 1942) - gestorben ist er im eigenen Namen (03. Juni 2016). Chapeau! Als er den Sklaven-namen abwarf und Mitkämpfer der ‚Nation of Islam’ wurde, mochte der Islam in den USA noch als Fackel Schwarzer Freiheit gelten. Würde der ‚größte Kämpfer aller Zeiten’ heute noch die gleiche Entscheidung treffen?
Sein Land bedeckte sich mit Schande, als es Ali für seinen Mut bestrafte, nicht in den Vietnam-Krieg zu ziehen. Ruhm hätten die USA ans Sternenbanner heften können, wenn die damals Herrschenden Anstand, Verstand und Kraft genug gehabt hätten, zu erkennen, wie berechtigt Muhammad Alis und Millionen Anderer Kritik an diesem unheiligen Krieg war.
Auch in Mannheim gab es in jenen Tagen Menschen, die es aus Erbitterung über diesen Krieg zum bewaffneten Kampf zog. Meine Alternative hieß damals Somalia, wo ich mich erfolgreich bemühte, meine Haut auf der Seite der Entrechteten - wie ich es empfand - zu riskieren. Ich ging hin als bekennender Maoist und kam zurück nach Mannheim, gesundheitlich angeschlagen aber geheilt von meiner maoistischen Ver-suchung, derer ich mich dennoch bis heute nicht schäme.
Viel Leid wäre vermieden worden, hätten die USA begriffen, was mit Händen zu grei-fen war. Weil sie Vietnam jahrelang in eine Hölle verwandelten, nur um am voraus-sehbaren Ende schmählich von den Dächern Saigons fliehen zu müssen, können die Vereinigten Staaten bis zum heutigen Tage nur schwer gute Entscheidungen treffen, wenn es um globale Politik geht. Ebenso alle Länder, die, wie wir, am Rockzipfel der USA hängen...
Der Einsatz der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg gegen Nazi-Deutschland umgibt dieses Land zu Recht mit Glanz. Der Vietnam-Krieg und andere militärische ‚Aktio-nen’ dagegen zeigen ein Amerika, das abstößt und sich und uns kränkt. Sollten wir den Tod Muhammad Alis nicht zum Anlass nehmen, uns der Werte des Westens wieder zu besinnen?
Auch der inter-religiöse Dialog könnte Impulse erhalten: Hat Cassius Marcellus Clay Jr., alias Muhammad Ali, Allah gelästert, als er rief: „Ich bin der Größte!“ War’s Grö-ßenwahn, war’s Comedy? Ich glaube, was als komödiantisch verkappter Größen-wahn begann, erfüllte sich in Muhammad Alis zweitem Leben. Erst war er der beste Boxer der Welt - dann war er der schwächste Mensch. Jetzt erst war er wahrhaftig der Größte. Ali: Der Erhabene. Mohammed: Der Gepriesene. Muhammad Ali: Ge-lobt-sei-der-Erhabene! Ali-hu akbar? Warum nicht.
Schwöbels Woche
WOCHENBLATT Mannheim
16. Juni 2016