Seit Jahrzehnten rühmen wir uns, dass über 170 Nationen Heimstatt in Mannheim finden und eine Fülle von Glaubensvorstellungen unbehelligt gelebt werden kann. Wohlgemerkt: Wir klagen nicht, wir rühmen uns dessen. Unser Bedarf an Nachhilfe-Unterricht in Vielfalt und Toleranz hält sich also in Grenzen.
Deutschland insgesamt entfaltet seit 70 Jahren starke Integrationskräfte. Den Menschen in „diesem unsrem Lande“ würde gut tun, wenn man Ihnen dies einmal sagen würde. Erst integrieren sich Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Aussiedler und werden integriert. Dann Italiener, Spanier, Türken, Portugiesen, Griechen, Jugoslawen, Rumänen, Russen und viele mehr. Zu ihrem Wohle, zum Wohle ihrer Heimatländer und zum Wohle Deutschlands. Seit über 25 Jahren integriert sich mühsam aber beharrlich das vereinigte Land. Den Produktivitätshochburgen Bayern und Baden-Württemberg gelingt sogar, Sachsen, Brandenburger, Niedersachsen und Ost-Friesen zu integrieren. Zum Dank für ihre Anstellung bei BASF, SAP, Benz, Mittelstand und anderen bringen sie uns Kurpfälzern ihre Sprechweisen bei, die sie erstaunlicherweise für Hochdeutsch halten.
Auch Muslime integrieren sich und werden integriert. Hier ist aber ein heikler Punkt. Es gibt keine geringe Zahl unter ihnen, die sich in der dritten und vierten Generation nicht integrieren. Ihre Integrationsbereitschaft sinkt weiter. Auch, weil der Islam sich weltweit in Krisen befindet, die er unter anderem mit Ausbreitung und Fundamentalisierung zu kompensieren sucht.
Die Bundeskanzlerin hat noch vor wenigen Jahren erklärt: „Multikulturelle Gesellschaften funktionieren nicht!“ Als Sozialwissenschaftler habe ich dem immer widersprochen und betont, dass es in der Geschichte keine Hochkulturen gibt - außer multikulturellen. Das antike Ägypten und das antike Rom waren ähnlich multikulturell wie moderne Gesellschaften heute. Gefährlich ist aber, sich multikulturelle Gesellschaft unbeschützt und uferlos vorzustellen. Neben Offenheit, Mobilität, Vielfalt und Toleranz, brauchen diese Gesellschaften auch Stabilität, Verlässlichkeit, Traditionen und Grenzen; Achtung vor weltlichem Recht und demokratischen Werten und Verfahren; Achtung vor Frauen; Lust auf Aufklärung und Wissenschaft. Dies Gewebe müssen wir täglich neu schaffen und festigen. Die Zeit dazu müssen wir uns nehmen, statt uns von angeblichen Imperativen jagen zu lassen. Es ist unklug zu glauben, das Projekt ‚emanzipatorische Zivilisation’ könne von uneinsichtigen Minderheiten nicht zerstört werden. Übrigens: Kanada hat doppelt so viele Flüchtlinge aufgenommen wie Mannheim... Schääm Disch, Monnem!
WOCHENBLATT Mannheim
28. Januar 2016