Das Vermögen, Qualität zu beurteilen 1

 

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Lauwarm köcheln                                                                                               Foto: Hans-Peter Schwöbel

An Hochschulen und in der Jugend- und Erwachsenbildung habe ich oft Rhetorikübungen und -Seminare angeboten. Dabei traf ich auf Menschen, die sich für Rhetorik interessierten, weil sie hofften, damit eine Trickkiste zu erwerben, mit der sie Andere zuverlässig beeindrucken können. Etwa nach dem Motto: Ich kenne da einen, der ist ein richtiger Idiot, aber er kann sich ganz toll verkaufen. Wie schafft man das?

Rhetorisch und darstellerisch beeindrucken, ohne sich allzu sehr um die Inhalte der betreffenden Materie zu bemühen. Punkten, ohne etwas zu leisten. Überlegen sein, ohne zu überlegen. Solche Erwartungen muss und will ich enttäuschen. Mit meinen Publikationen und Auftritten, auf Tagungen und in Seminaren wende ich mich gegen jene, die versuchen, Vortragstechnik und Präsentation von der Qualität der Inhalte zu lösen.

Immanuel Kant: Geschmack ist das Vermögen, Qualität zu beurteilen.

Auch in den Künsten bestehe ich auf der Einheit von Form, Stoff, Sprache und Inhalt im Sinne verbindlicher und umfassender Qualität. Wer zu einer schönen Melodie dummes Zeug singt, kann mich gernhaben. Ein guter Redner/Performer ist für mich nur einer, der mit seiner Darbietung und mit den Inhalten gleichermaßen hohe Qualität bietet.

Viele verbinden mit Rhetorik besonders den Wunsch, ihre eigene Wirkung auf Andere zu verbessern. Sie sind weniger an analytischer Kompetenz interessiert, die helfen kann, die Präsentation anderer zu durchschauen. Vor allem im Umgang mit Medien (Nachrichten, Unterhaltung, Politik, Werbung) ist aber diese Fähigkeit besonders wichtig.

Diese komplexen produktiven und analytischen Kompetenzen sind in Deutschland als Aspekt von Allgemeinbildung wenig entwickelt. Deshalb können in unseren politisch-religiös-medialen Systemen Schaumschläger und Schaumschlägerinnen vortrefflich Karriere machen. Mit fundiertem Geschmack im Kant’schen Sinne, würden große Teile medialer Konsumwerbung aber auch geisterhafter Wahlkämpfe und pseudocharismatischer Reden und Predigten unter dem Gelächter der Zuschauer scheitern. Was für Einsparungen an CO2, welch einen Gewinn an Nachhaltigkeit, Lebensqualität und Verstehen würde das bedeuten!

Blasen

Was zum Beispiel bezüglich Covid und den betreffenden Impfstoffen auf der molekularen Ebene wahr ist, kann ich nicht profund beurteilen. Die weit überwiegende Mehrheit von Laien und Experten wohl auch nicht. Wir alle sind auf Mitteiler angewiesen, die wir für glaubwürdig halten. Unter anderem führen Vertrauens-, respektive Skepsis- und Abwehr-Dynamiken zu den vielgescholtenen „Blasen“ (Bubbles). Nicht erst seit fünf, eher seit 500 000 Jahren. Niemand hätte je in keiner Blase gelebt. Allerdings wird das Geblubber von Information und Desinformation seit Jahrzehnten im Getöse neuer Medien immer dichter: Blubber, blubber, blubber... Dabei beschämen wir die Physik - wir vermögen lauwarm zu köcheln.

Bei der Entwicklung tragfähigen Alltagsbewusstseins geht es vor allem um sauber erhobene Befunde, Plausibilität und Nachvollziehbarkeit. Dies gilt für alle Menschen. Wer auf einem oder einigen Gebieten firm ist, ist es auf vielen anderen nicht. Meine eigenen Grenzen der Erkenntnis kann ich nur erweitern, indem ich Anderen zuhöre, und nicht, indem ich versuche, Andere zum Schweigen zu bringen. In dem ich meine Gedanken und Argumente an ihrem Verstehen und Nicht-Verstehen schärfe und nicht, indem ich sie pauschal für dumm halte.

Genau deshalb ist Meinungsfreiheit die wichtigste Freiheit in den Wissenschaften, in demokratischen Willensbildungsprozessen und nicht zuletzt im Alltag. Wo diese Grundfreiheit mit Sanktion und Ausgrenzung bedroht wird, wachsen Paternalismus, Angst, Heuchelei und Wut. Durch die Gesellschaft fahren Risse und Spalten, die sich nur schwer heilen lassen. Gefahren, die vom Dominanzgebaren des politisch-religiös-medialen Main-Stream ausgehen, schätze ich höher ein als die von bestimmten Viren.

Auch wenn man die Risiken durch Covid und seine Mutanten nicht geringschätzt, ist die Überaufmerksamkeit, die wir ihm seit zwei Jahren widmen, sehr unvernünftig. Gerade in schwierigen Zeiten, sollten wir auf Informations- und Kommunikationshygiene achten. Die lähmende Allgegenwart des Themas Corona trägt nichts zur Lösung von Problemen bei. Sie dient narzisstischem Aufmerksamkeitsheischen (z.B. Karl Lauterbach) und paternalistischer Machtentfaltung, die sich nicht kontrollieren und kritisieren lassen will. Ihr geht es ja um nichts Geringeres als ums Leben, oder im Falle extremistischer Klima-Aktivisten, darum, den baldigen, vollkommen sicheren Weltuntergang zu verhindern. Wer da auch nur Fragezeichen in den Augen erkennen lässt, hat schon verloren.

Fortsetzung folgt.

Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 09. April 2022

Vom Fleisch der ewigen Vergänglichkeit

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Vom Fleisch der ewigen Vergänglichkeit
Essays und Plädoyers 1
2. Auflage. Borgentreich 2021. 160 Seiten, gebunden, Fotos, Lesebändchen. 25,- €

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Fluchtkulturen

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Essays und Plädoyers 2
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