Das war eine gute Schule

 

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Waldschule. Mannheim-Gartenstadt
Foto: Hans-Peter Schwöbel

„Ich hatte schlechte Lehrer. Das war eine gute Schule.“ (Arnfrid Astel) Oooch... Er hatte schlechte Lehrer! Der Ärmste.

Ein vergleichbarer Aphorismus könnte lauten: „Ich hatte schlimme Eltern. Das war eine gute Erziehung.“ Womit ich eine weitere Lebenserfahrung bestätigen kann: „Ich hatte keine glückliche Kindheit. Eine glückliche Kindheit lohnt sich auch nicht.“ (Frank McCourt, irischer Schriftsteller).


Wer aus seiner Klassenlage, seiner Religion, dem Elend seiner Eltern, den Mängeln seiner Lehrer und vielen anderen „Benachteiligungen“ kein Alibi für sein eigenes Versagen bastelt, dem kann auch die Hölle zum Besten dienen.

Als Student der Sozialwissenschaften habe ich in den siebziger Jahren einige Zeit im Auftrag der Mannheimer Abendakademie mit jugendlichen Schwerkriminellen im Mannheimer Knast, dem „Café Landes“, gearbeitet. Sie hätten eigentlich nicht in Mannheim einsitzen dürfen. Aber der Jugendknast in Adelsheim war chronisch überfüllt, so dass die Unterbringung von Jugendlichen in Mannheim ein Dauerprovisorium geworden war.

Damals schon gab sich der Justizvollzug Mühe, den jungen Menschen Chancen auf eine gelungene Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen. Nicht oft waren diese Bemühungen von nachhaltigem Erfolg gekrönt. Meine Erfahrung von damals hat sich immer wieder bestätigt: Viele junge Straftäter, wie auch ihre älteren ‚Leidensgenossen’, konnten ihrem tristen Leben nicht entkommen, weil sie die Schuld an allem Misslingen konsequent bei Anderen suchten: Eltern, Freunden, Lehrern, Polizisten, Richtern, Sozialarbeitern, Vollzugsbeamten. Die wichtigsten Blockaden gegen gelungene Resozialisierung sind nicht ‚Vorurteile’ der Gesellschaft, sondern der Wille der Gestrauchelten, eigenes Verschulden und Versagen von sich zu weisen, um den Mühen emanzipatorischer Persönlichkeitsentwicklung zu entgehen.

Leider gab es auch damals schon Medien, Pädagogen, Sozialarbeiter, Ehrenamtliche, Pfarrer und Künstler, die diese Menschen in ihrem Selbstmitleid bestärkten, statt ihnen als Widerstand zu dienen, an dem sie sich hätten aufrichten und sich ändern können. Mir begegneten im Knast Analphabeten, die mir einen mit psychologischen Fachtermini gespickten Vortrag hielten, in dem sie mir erklärten, warum sie keineswegs schuld, sondern „von der Gesellschaft stigmatisiert“ seien. Selbst- und Fremdviktimisierung als Gewähr dafür, sich nicht ändern zu müssen. Diese Gemüts- und Geisteszustände haben sich in den westlichen Demokratien in den letzten Jahren massiv verstärkt. Sie gehören zu unseren Grundkrisen. Menschliches Scheitern hat immer „strukturelle“ Ursachen, nie persönliche. „Aktivisten“, die diesen Irrglauben pflegen, verdienen nicht schlecht dabei und mehren ihr Ansehen in einer (selbst-)mitleidigen Gesellschaft.

Wo Selbstmitleid und Verweigerung der eigenen Verantwortung überwunden werden, stehen die Türen in ein gelingendes Leben weit offen! Jedenfalls in Deutschland. Oder haben wir im Gewimmel der Infantilgesellschaft auch diese Qualitäten eingebüßt?

Was meine Lehrer angeht: Von acht Jahren Volks-Schule in der Waldschule (Mannheim-Gartenstadt) über meine Lehre mit Berufsschule als Autoschlosser, meinen Lehrern auf dem Zweiten Bildungsweg bis zu den Universitäten Mannheim und Frankfurt hatte ich mehr gute als schlechte Lehrer. In der Waldschule der fünfziger Jahre waren meine besten Lehrer: „Frollein“ Ebel und die Lehrer Eggert, Fink, Frank und Walz.

Für mich gilt: Ich hatte gute Lehrer. Das war eine gute Schule. Danke!

 

Hier noch ein besonderes Video. Unter dem Titel "Über allem der Atlantik" sprach im MARCHIVUM SWR-Moderatorin Doris Steinbeißer mit Susanna Martinez zum Thema "Besatzungskind - Freiheitskind". Ein höchst informatives und berührendes Gespräch. Schauen Sie rein, empfehlen Sie weiter. Danke!

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Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 02. April 2022

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Essays und Plädoyers 1
2. Auflage. Borgentreich 2021. 160 Seiten, gebunden, Fotos, Lesebändchen. 25,- €

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