Geh mir nur ein wenig aus der Sonne...

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Zum Thema „Warum bist Du böse auf mich? Ich habe Dir doch gar nicht geholfen!“ in meinem BLOG vom 15. August 2020 hat mich ein Leser an Diogenes von Sinope erinnert.



Bei Plutarch liest sich seine Saga so: „Die Griechen beschlossen, mit Alexander gegen die Perser einen Kriegszug zu unternehmen, wobei er auch zum Oberfeldherrn ernannt worden war. Da bei dieser Gelegenheit viele Staatsmänner und Philosophen ihm die Aufwartung machten und Glück wünschten, dachte er, dass auch Diogenes von Sinope, der sich eben in Korinth aufhielt, ein Gleiches tun würde. Aber dieser blieb in seiner Ruhe im Kraneion [Platz in Korinth], ohne sich um Alexander zu kümmern; daher begab der sich zu Diogenes hin. Diogenes lag in seinem Fass an der Sonne. Als so viele Leute auf ihn zukamen, reckte er sich ein wenig in die Höhe und sah Alexander starr an. Dieser grüßte ihn freundlich und fragte, womit er ihm dienen könnte. ‚Geh mir nur‘, versetzte der, ‚ein wenig aus der Sonne!‘ Davon soll Alexander so betroffen gewesen sein und, ungeachtet der ihm bewiesenen Verachtung, den Stolz und die Seelengröße des Mannes so sehr bewundert haben, dass er, als seine Begleiter beim Weggehen darüber scherzten und lachten, ausrief: ‚Wahrlich, wäre ich nicht Alexander, ich möchte wohl Diogenes sein.‘“
(Plutarch: Alexandros 14) wikipedia, 18.08.2020.

Einer, der auf der Straße lebt wie ein Hund, will nicht zum Geholfenen werden, auch nicht durch den Mächtigsten seiner Zeit. Dass all dies wohl eher Mythos als reale Geschichte ist, spielt keine Rolle. Es gehört zu unserem geistigen Schatz. Zwei Riesen umspannen ihre Welt. Der Bedürfnislose im Fass ist im Vergleich zum Weltenherrscher keineswegs der Schwächere. Im Gegenteil. Alexander der Große mag sich, zumindest für einen Augenblick, sehr klein vorgekommen sein vor Diogenes.

Sich nicht helfen lassen zu wollen, gehört zum Motivationsrepertoire des Menschen ebenso, wie das Verlangen nach Hilfe. Stolz mag eine Rolle spielen und Selbstachtung. Was die Menschen, auf die ich in meinem BLOG vom 15. August eingehe, von Diogenes unterscheidet: Sie fordern Hilfe. Sie postulieren ein Recht auf Hilfe – längst nach dem Motto: Alles! Allen! Immer! Subito! Dann beißen Geholfene des Helfers Hand. Wachsende Anspruchs-Haltung lässt Transferleistungen wachsen – nicht Achtung, Selbstachtung und Selbstverantwortung.

Wenn meine Frau als Lehrerin im Sozialen Brennpunkt Kindern aus prekären Familien Geld gegeben hätte, hätte sie nichts bewirkt - jedenfalls nichts Gutes. Die Bereitschaft zu emanzipatorischen Entwicklungen kann nicht erzwungen und nicht mit Geld erkauft werden. An der Anstrengung, aufrecht zu gehen führt kein Weg vorbei. Erstes Ziel eines auf Emanzipation gerichteten Helfers (Lehrers, Wissenschaftlers, Politikers, Unternehmers, Sozialarbeiters, Freundes...) ist, sich überflüssig zu machen und keine neuen Abhängigkeiten beim Geholfenen anzulegen. Das ist das Einfachste und das Schwerste für beide. Der erfahrene Helfer trachtet danach, bei seinem Gegenüber Kraft und Freude an eigenverantwortlicher Selbstentfaltung zu wecken. Er weiß, wann es Zeit ist, ihm aus der Sonne zu gehen und ihn seinen weiteren Weg selbst finden zu lassen. Der sich aus Mangel und Abhängigkeiten Erhebende weiß es auch.

Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 22. August 2020

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